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Filter rein, Musik raus?

Neue Präsentationsformen für neue Musik

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Allein 200.000 deutsche Bands soll es auf MySpace geben, weltweit sind es etwa sechs Millionen. Das behauptet zumindest Joel Berger, der Chef von MySpace Deutschland: „Es gibt in diesem Bereich also mehr zu entdecken, als man jemals entdecken kann“, sagt er im Interview mit Pop100.com, und bringt damit das Problem ziemlich genau auf den Punkt. Aber wie findet der interessierte User die Bands, die ihn wirklich interessieren?
Klassischerweise kommt dem Musikjournalismus diese Filterfunktion zu. Ob De:Bug, Sputnik oder Intro: Sie alle wählen aus, sie besprechen die Platten oder Bands, von denen sie glauben, dass sie für ihre jeweilige Klientel interessant sind. Sie bringen – ganz im klassischen Sinne des Wortes Redaktion – die Vielzahl von Informationen in eine für ihren Leser, Zuschauer oder Zuhörer verdauliche Form. Doch die Rolle des Musikjournalismus geht über die bloße Berichterstattung hinaus. Es wird interpretiert und auf Referenzen verwiesen, es werden zu allen erdenklichen Themen Diskurse geführt. Die redaktionelle Auseinandersetzung mit Popmusik hat sich zu einem wichtigen Teil der Popkultur entwickelt.
Doch die ehemaligen Leitmedien sind ökonomisch erheblich unter Druck geraten. Das hat Folgen: Die einen versuchen, sich inhaltlich breiter aufzustellen, andere suchen ihr Heil in der Spezialisierung. Manche Medien erscheinen weniger häufig, andere nur noch online. Einige haben sich entschieden, einen Teil Ihrer redaktionellen Unabhängigkeit aufzugeben und veröffentlichen Gefälligkeitsartikel, die mit einer Anzeige verbunden sind (was natürlich keiner zugibt).
Andererseits gibt es eine Vielzahl an neuen Portalen und Blogs, die den etablierten Medien die Konsumenten streitig machen. Das Netz bietet zahlreiche strukturelle Vorteile gegenüber den althergebrachten Medien: Die Tatsache, dass man dort mit relativ geringem finanziellem Aufwand publizieren kann, nimmt einigen wirtschaftlichen Druck. Zudem können Onlinepublikationen schneller auf neue Themen reagieren als die meisten analogen Medien. Die niedrige Einstiegshürde erlaubt jedem, der glaubt, er hätte etwas Interessantes zu sagen, das auch zu tun. Jeder kann sich zu Wort melden und sei es mit der Kommentar-Funktion. Doch wenn alle reden, kommt keiner wirklich zu Wort. Und nicht jeder, der glaubt, er hätte etwas Interessantes zu sagen, kann diesem Anspruch auch gerecht werden. Man wird oft recht schnell daran erinnert, dass eine redaktionelle Kontrolle durchaus auch Vorteile hat.
Für die Zukunft der Musikmedien stellt das einige Fragen:
Wie kommt der Musikinteressierte zu den Inhalten, die ihn interessieren? Welche Publikationsformen haben sich überlebt, welche können sich halten, und welche sind noch zu erwarten? Wie kann sich ein gutes inhaltliches Angebot in dieser Masse durchsetzen? Welchen Wert haben Netzwerke? Und zu guter Letzt: Wie kommt der Künstler zu seinen Fans? Denn er ist einer von sechs Millionen – alleine auf MySpace.

Es diskutieren:
Monika Eigensperger (FM4), Udo Raaf (Tonspion), Christoph Jacke (Kulturwissenschaftler), Christian Fischer (Piranha)

Moderation:
Andreas Schepers