Panels
„Wie ehrlich ist der Musikjournalismus?“
Kein Medienmacher ist frei von den ökonomischen Zwängen. Schlimmer noch: Artikel kommen in die Magazine, nicht weil die Bands so toll sind, sondern, weil die Plattenfirma eine erkleckliche Summe Bestechungsgeld, getarnt als Anzeigenbuchung wortlos über den Tisch schiebt. Kein, noch so geiler Track kommt auf Playliste, hat der verhandelnde Promoter die Entscheidungsfindung durch kleine, die Freundschaft erhaltende Geschenke erleichtert. Und der Deal fängt beim kleinsten Fanzine und beim sympathischsten Campusradio an und hört beim überregionalen Medium erst auf.
Dieses Forum wird der Frage nachgehen, ob die Medienmacher egal welcher Couleur, ihre Entscheidungen, diese und jene Band gut zu finden, in diesen rauen Zeiten überhaupt alleinig nach geschmäcklerischen Gesichtspunkten fällen können. Ist die Größe einer Band mittlerweile nur eine Frage des Preises? Welche Chancen hat der gute Geschmack überhaupt noch in rezessiven Zeiten? Entspricht der Deal einem Paktieren mit dem Teufel, der einem später nicht mehr von den Socken weicht? Inwiefern spürt der aufgeklärte Leser/Hörer die Tragweite dieses Deals? Hat der anspruchvolle Medienmacher überhaupt die Chance, sich dem ökonomischen Druck zu entziehen? Wo zieht er die Grenze? Und welche Band kommt einem sowieso nicht ins Blatt/auf den Sender, egal was sie zahlt? Braucht denn heutzutage überhaupt noch jemand die inhaltliche Freiheit der Fanzines und unabhängigen Radioprogramme? Beschäftigen sich die heutigen Formate überhaupt noch mit den vom Markt bisher ignorierten Subkulturen? Müssen sich qualitative Aspekte zunehmend gar ökonomischen Zwängen unterordnen?
Fragen über Fragen, die die Popkulturnörgler Donis & Tom vom Fanzine „Persona Non Grata“ unter anderem mit Uwe Viehmann, Chefredakteur der „SPEX“, Guido Bülow vom „Campusradioverbund Nordrhein-Westfalen“ und Stefan Maelck, ehemals „DT64“- und später „MDR Sputnik“-Redakteur, erörtern werden, wobei diese traute Runde die Eckpunkte suchen wird, an denen das System der ökonomischen Diktatur ausgehebelt werden kann.
„Hits nach Plan – Musik aus dem Baukasten“
Einblicke in die industrialisierte Musikproduktion. Ein Versuch, Überblick über die weitgehend vom klassischen Künstler- und Musikerverständnis losgelöste Musikproduktion zu gewinnen. Ein Entlangtasten an den Reibungsflächen zwischen musikalischem Handwerkertum und kreativem Prozess. Eine Diskussion, die direkt beim „Feindbild“ nachfragt.
Eingeladen ist Jörn von fragma, Mitarbeiter eines Musikstudios das
für einscghlägige Chartprojekte wie Honesty 69 („French Kiss“), Perplexer („Acid Folk“) oder Bellini („Samba de Janeiro“) verantwortlich zeichnet.
Einzelne Fragestellungen der Diskussion werden sein:
Wie funktioniert die Planung fuer ein Chartprojekt von Null an?
Wie werden Wertigkeiten berechnet (z.B. Samplebibliotheken, Midikompositionen, Texte)?
Welche Rolle spielen die „kreativen Zulieferer“?
Wie wichtig ist „Vorsprung durch Technik“ ?
Weitere Gäste aus dem Leipziger Musikumfeld werden mit ihren Erfahrungen und Sichtweisen die Diskussion komplettieren.
„Move Your MP3! Popfile war gestern … oder?“
Für die Majors scheint es inzwischen klar: Musikdateien soll man auch im Netz nur kaufen können. Am besten mit Wasserzeichen und möglichst aufwändig kopierbar. Immerhin so etwas wie eine Strategie. Popfile hats vorgemacht – erfolgreich, sagen sie.
Und die Indies? Klar ist inzwischen: Auch eingefleischte Musikliebhaber setzen immer mehr auf das schnelle, weltweite Medium MP3, die Bedeutung des „physischen Tonträgers“ hat auch bei „bewussten“ Konsumenten gelitten. Ist das nun wirklich so gut, wie einige sagen? Dass Kazaa und Tonspion die elende Medienlandschaft prima ersetzen und die Promotion quasi im Selbstlauf übernehmen? Dass der treue Fan sich im Internet informiert und dann die Platte kauft?
Oder kann man es den Majors nachmachen? Die „Tracks“ gleich zum Verkauf anbieten. Ohne aufwändige Vertriebsmaschinerie und für wenig Geld. Gibt es vielleicht sogar eine gemeinsame Perspektive für die Unabhängigen? Oder lohnt sich das nicht, ist der Online-Vertrieb am Ende viel zu teuer angesichts von vagen Erfolgsaussichten und sicheren Kosten. Außerdem ist ein MP3 doch keine echte Popmusik! Vielleicht lieber auf Augen-zu-und-durch setzen, schicke Platten machen und auf treues Fansupportertum – also Käufer – setzen?
Auf dem Podium diskutieren Labelmacher, Online-Anbieter und Experten über den Stand der Dinge, über Wünsche und Perspektiven für die Independent-Szene.
Workshop: „Labelgründung“
Warum ist das „Grand Hotel van Cleef“ mit nur einer Veröffentlichung in die Jahrespolls 2002 als „bestes Label“ gekommen. Wir fragen uns das am aller meisten! Ist jetzt schon der Zeitpunkt gekommen, an dem man lernen sollte, wie man „Fänomehn“ schreibt?
Die geilsten Sachen werden aus der Not heraus geboren. Jesus, Email und das „Grand Hotel“. Bustorff, Wiebusch und Uhlmann werden erzählen, wie alles anfing und in 40 Minuten erklären, wie man ein Label startet, ohne es in den ersten 240 Tagen an die Wand zu fahren.
Dazu kommen noch unsere Charts: Die 10 geilsten Majorlabelschoten, die wir erlebt haben. Das zwar ohne Namensnennung, dafür aber mit „hö hö“-Garantie.
Im Ernst bedeutet das: Was machen wir? Wie machen wir was? Warum machen wir es? Woher kommt das ganze Geld und wo geht es hin?
Unterhaltsam und informierend werden die Hambuger „Chucks-Boys“ erklären, wie das Label aufgebaut ist, was promotiontechnisch beachtet werden muss und ob Promotion ein Schimpfwort ist.
Warum es gut ist, das Reimer Bustorff charmant authistische Züge hat und warum es gut ist, dass Marcus Wiebusch Nerven, wie die Stahlkabel der Golden Gate Bridge hat und in Krisen Situationen eben auch deren Farbe annimmt. Was braucht man um ein Label zu betreiben? Was braucht man in den ersten 5 Jahren nicht?
Fragen über Fragen, Mann über Bord!
Workshop: „Labelarbeit“
Das eigene Label ist am Start. Alles läuft super … oder? Jetzt kommen die Mühen der Ebene. Es geht um Images und deren Konsistenz, um die Präsentation gegenüber zukünftigen Medienpartnern, Labels oder Bookern. Wie betone ich die Eigenarten meiner Künstler, noch bevor die Musik überhaupt zur Geltung kommt? Und wie sorge ich dafür, dass sie überhaupt zur Geltung kommt?
Mit dem Stickman-Team wird eines der regsten deutschen Independent-Labels Einblicke in die längerfristige Label-Arbeit geben.