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Gentrifizierung

Meine Miete steigt, also brennt Dein Auto!
Kreativwirtschaft, Gentrification und Stadtplanung

Freitag, 18 Uhr, Panelzelt
Cool: hier im Kiez kann ich bis frühmorgens mein Bierchen trinken, in einer alten Fabrik spannende Galerien besuchen und irgendwo ist immer ’ne Party. Die Mieten sind billig und die Leute locker-flockig-alternativ. Da lässt sich der Zwangsumzug, den mir meine international agierende Firma verordnet hat, doch viel besser aushalten – und plötzlich brennt nachts mein Mittelklassewagen!
Nun gut, diese Beschreibung ist vielleicht etwas arg verallgemeinert und auch in jeder Großstadt unterschiedlich, die brennenden Autos in Hamburg und Berlin gingen jedoch im vergangenen Jahr häufig durch die Medien. Ist dies aber schon ein Clash zwischen kreativem Prekariat und aufgeklärt-konservativem Bildungsbürgertum?
Dass es Gentrification in vielen deutschen Großstädten gibt, lässt sich hingegen nicht wegdiskutieren. Stadtteile wie das Schanzenviertel in Hamburg, Flingern in Düsseldorf oder Prenzlauer Berg und Friedrichshain in Berlin waren ursprünglich die Spielwiesen freigeistiger – und freischaffender – Maler, Musiker und Galeristen. Zum Teil sind sie das auch heute noch, jedoch verändert eine zuziehende, vermögendere Klientel das Mietpreisniveau und die soziale Struktur der Viertel. Für Leipzig werden solche Prozesse auch für die Südvorstadt und Plagwitz diskutiert, wenngleich hier noch keine Autos in Flammen aufgingen.
Schließlich kommt dann auch noch die Politik ins Spiel, die schnell ins Schlamassel schliddert: einerseits soll gerade heutzutage die Kreativwirtschaft und damit auch der hippe Standort gestärkt werden, anderseits die soziale Mischung in den Vierteln erhalten bleiben. Kann das gelingen, insbesondere wenn bei der Kreativwirtschaft schnell nach dem ökonomischen Aspekt geschielt wird? Oder gibt es dann doch Beispiele, dass alle Akteure in friedlicher Koexistenz leben können?

Mit Silke Steets (TU Darmstadt Institut für Soziologie), Karsten Gerkens (Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung Leipzig), Christoph Twickel (Not In Our Name, Marke Hamburg), Ariane Jedlitschka (Essential Existence Gallery, Leipzig), Uwe Rada (Journalist, Berlin); Moderation Thyra Veyder-Malberg und Ronald Arnold (Leipzig (Pop Up)

So war’s

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Das Phänomen Gentrifizierung ist in vielen deutschen Großstädten bereits Realität. Der post-industrielle Wandel hat kreative Freiräume eröffnet, seit einigen Jahren verändert jedoch eine zuziehende, vermögendere Klientel das Mietpreisniveau und die soziale Struktur der Viertel. Zum Verhältnis von Kreativwirtschaft, Gentrifizierung und Stadtplanung diskutierten Dr. Silke Steets, Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Darmstadt, Karsten Gerkens, Leiter des Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung der Stadt Leipzig, Christoph Twickel, freier Journalist und Autor aus Hamburg und Mitinitiator des Manifests „Not In Our Name, Marke Hamburg“, Uwe Rada, Redakteur der taz für Stadtentwicklung sowie Ariane Jedlitschka, freischaffende Künstlerin und Mitbegründerin der Essential Existence Gallery in Leipzig (EEG) im Rahmen der Leipzig (Pop Up unter der Überschrift „Meine Miete steigt, also brennt Dein Auto!“.
Ausgehend von den Hamburger Erfahrungen mit Gentrifizierungsprozessen forderte Christoph Zwickel ein „Recht auf Stadt“, von dem insbesondere prekäre Bevölkerungsschichten aufgrund ökonomischer Sachzwänge mehr und mehr ausgeschlossen seien. Konkret an die Politik richteten sich Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum, Recht auf öffentlichen Zugang und Mitsprache bei geplanten Städtebauprojekten.
In Hinblick auf das Verhältnis von Gentrifizierung und Stadtplanung fügte Uwe Rada an, dass sich in der Regel unterschiedliche Nutzungsansprüche an Stadt gegenüber stünden, die sich in der Regel nur schwer miteinander vereinbaren lassen würden. Stadtplanungspolitik würde daher oft nicht über eine „Renaissance der Innenstädte“ hinaus gehen, die Versuche verschiedene soziale Gruppen in den Prozess einzubeziehen bezeichnete Rada als „Feuerwehrpolitk“.
Gegenüber der Situation in Hamburg habe man in Leipzig nach den politischen Umwälzung 1989/90 zunächst mit Leerstand zu kämpfen gehabt, insofern seien die beiden Fälle nicht zu ohne Weiteres zu vergleichen, sagte Karstens Gerkens. In Hinblick auf eine zukünftige Stadtentwicklungspolitik gelte es, das kreative Image Leipzigs der Stadt zu bewahren, so Gerkens weiter: Das „Betrachten, was da ist“ sei die „Leipziger Linie“ in der Stadtentwicklungspolitik, räumte aber ein, das Verdrängung sich nicht immer vermeiden lasse.
Demgegenüber sprach sich Silke Steets dafür aus, dass kreative Freiräume auch über Gentrifizierungsprozesse hinweg erhalten bleiben sollte. Diese „Räume des Dazwischen“ gelte als experimentellen Schutzraum zu bewahren, sie seien „nutzungsoffen“ und würden Raum für Fragen wie „Was ist Stadt“ und „Wie wollen wir Leben“ bieten.
Auch Ariane Jedlitschka plädierte für die Erhaltung kreativer Räume, machte aber zugleich darauf aufmerksam, dass in Leipzig bereits eine Verdrängung von kreativen Räumen zu beobachten sei. Insbesondere die prekäre Situation vieler Kulturschaffender, die zugleich aber auch Aufwertungsprozesse in Stadtvierteln begünstigen und einleiten, mache es notwendig, neue Beteiligungs- und Aneignungsmodelle wie bspw. die Initiative www.deinfeld.de zu entwickeln. Darüber hinaus betonte Jedlitschka, dass die Beteiligung an Stadtentwicklungsprozessen ein wichtiger Aspekt stadtteilbezogener Identifikationsprozesse sei.